John Webb (50), freiberuflicher "Life/Work-Planning"-Trainer,
bringt Arbeitssuchenden bei, wie sie sich ihren maßgeschneiderten
Arbeitsplatz selbst suchen können. Arbeitsvermittlung mache dagegen bloß
abhängig, sagt er. Die Erfolgsquote seiner Methode? - "86
Prozent"
Vergangene Woche hat John Webb an der Bremer Uni wieder ein
Seminar zur "Life-Work-Planning" gegeben. Im September ist das
nächste geplant. Die taz sprach mit dem freiberuflichen Trainer über
Ziele und Erfolge des etwas anderen Arbeitsfindungs-Ansatz.
taz: Herr Webb, was unterscheidet "Life/Work-Planning"
denn von der normalen Arbeitsvermittlung?
John Webb: Die Bedürfnisse der Arbeitssuchenden stehen bei
uns im Mittelpunkt. Sie suchen die Arbeit, die zu ihnen passt, anstatt
dass sie sich verbiegen, um vermeintlichen Traumbildern der Arbeitgeber
zu entsprechen. Dass bei diesem Verfahren auch die Betriebe zu guten
Mitarbeitern kommen, ist nur ein netter Nebeneffekt.
Die Arbeitssuchenden, sagen Sie, müssten sich zunächst über
ihre eigenen Ziele und Wünsche klar werden.
Wenn ich nicht beschreiben kann, was ich suche, dann klappt das auch
mit der Suche nicht.
Aber jeder gute Arbeitsvermittler würde doch auch vorher zu
seinen Klienten sagen: "Überlegen Sie sich zunächst, was Sie
machen wollen, dann sehen wir weiter."
Natürlich. Aber sie könnten genauso gut sagen: "Stell dich ans
Fenster, wedele mit den Armen und flieg." Man kann das den Leuten
tausendmal sagen - wenn sie nie gelernt haben, wie sie das für sich
herausfinden sollen, dann können sie das nicht.
Aber wie kann man so etwas denn lernen?
Vor allem muss man wissen: Was kann ich? Es gibt gute Übungen, um zu
lernen, seine eigenen Fähigkeiten zu bestimmen. Aber es ist ganz
wichtig, dass das jeder selbst macht. Testverfahren oder Psychologen,
die da sitzen und einem sagen "Du sollst Förster werden!"
bringen wenig.
Sie haben also den Eindruck, dass in Deutschland oft zu wenig
darauf geachtet wird, die eigenen Fähigkeiten zu bestimmen?
Darauf wird überhaupt nicht geachtet. Das ist ein riesengroßer weißer
Fleck im deutschen Bildungswesen. Hier gibt es nirgends in der Schule
ein Fach, wo ich lerne: Was mache ich gut und gerne? Was interessiert
mich wirklich? Wie lerne ich den Arbeitsmarkt für mich empirisch zu
erkunden? Aber in zehn Jahren wird es das überall geben.
Vom Wissen darüber, was ich will, bis zu einem passenden
Arbeitsplatz ist es aber immer noch ein weiter Schritt.
Es ist ein weiter Schritt, wenn man kein System dafür hat. Das Life/Work-Planning-Verfahren
garantiert natürlich nicht, dass sich alle meine Wünsche realisieren
lassen. Aber man kann dann mit relativ wenig Zeit und Aufwand für sich
feststellen, welche Möglichkeiten es gibt. Es ist total wichtig, dass
ich das selbst und durch eigene Erfahrung herausfinde, und dass ich mich
nicht aufs Hörensagen oder auf Arbeitsamt-Prognosen im Stil von
"wie viele Ingenieure braucht die Industrie in sechs Jahren"
verlasse. Ich muss rausgehen und mit Leuten reden, die in dem Bereich
bereits arbeiten. Ich muss meine Informationen aus erster Hand bekommen.
Andere aufzusuchen und zu befragen erfordert aber ganz schön Mut.
Meine Erfahrung zeigt: 82 Prozent aller Menschen geben gerne
Auskunft. Wenn man zudem noch gelernt hat, über seine eigenen Fähigkeiten
und Interessen zu reden,dann braucht man auch keinen Mut mehr dazu,
diese "Interviews" zu führen. Das trainieren wir im Seminar.
Und beim Vorstellungsgespräch.
Halt! Einstellungsgespräch! Das ist ein Unterschied. Ein
Einstellungsgespräch kommt immer auf Initiative des Arbeitssuchenden
zustande. Der lädt dazu ein. Er hat aber vorher schon herausgefunden,
dass an dieser Stelle wirklich ein Bedarf für die Leistungen besteht,
die er erbringen will. Ich bewerbe mich nicht auf gut Glück, sondern
nur dort, wo ich selbst davon überzeugt bin, dass ich dem Betrieb etwas
bieten kann.
Könnte denn mit diesem Ansatz auch die Arbeitsvermittlung in
Deutschland, etwa der Arbeitsämter, verbessert werden?
Life/Work-Planning ist das Gegenteil von Arbeitsvermittlung.
Vermittlung funktioniert meist nicht. Und selbst wenn sie funktioniert,
schafft sie nur Abhängigkeiten. Wenn Sie mir einen Arbeitsplatz
vermitteln, dann bin ich vielleicht dankbar und glücklich. Aber ich
habe nichts daraus gelernt. Wenn ich drei Jahre später wieder auf
Arbeitssuche bin, kann ich nur zu Ihnen zurückkommen und sagen:
"Bitte vermitteln Sie mich noch einmal." Wenn die Leute aber
einmal gerafft haben, wie sie selber Arbeit suchen können, dann lassen
sie nie und nimmer mehr zu, dass ihre Freunde und Kinder weiterhin
schriftliche Bewerbungen durch die Gegend schicken. Sie bringen denen
dann bei: So bestimmst du deine Fähigkeiten, so lernst du, über dich
zu reden, so gehst du in die Betriebe, und so bringst du dann auch ein
Arbeitsverhältnis zustande. Das hat wenig bis gar nichts mit
Arbeitsvermittlung zu tun.
Das Bremer Arbeitsamt bezuschusst ihre Seminare. War das schon
immer so?
Nein. In den ersten Jahren gab es eher wenig Unterstützung. Jetzt
sind sie mit im Boot und organisieren sogar Infotage und Vorträge darüber.
Aber es gibt immer noch Stimmen dort, die sagen: Das ist Schmu und
Unsinn.
Wie erfolgreich ist denn eigentlich die Life/Work-Planning-Methode?
86 Prozent der Kursteilnehmer finden innerhalb von 12 Monaten einen
Job, etwa ein Viertel davon macht sich selbstständig. Und sowohl ihre Tätigkeit
selbst als auch das Arbeitsumfeld kommt ihren Wünschen, die sie im
Seminar erarbeitet haben, meist sehr nahe.
Fragen: Armin Simon
taz Bremen Nr. 6818 vom 5.8.2002, Seite 22, 186 Zeilen
(Interview), Armin Simon |