"Was
würde ich am liebsten tun?" ist eine Frage, die sich viele
Arbeitssuchenden nur sehr oberflächlich stellen. Deshalb verfolgen die
meisten die drei klassischen Wege der Berufsfindung: Es werden
Stellenangebote potentieller Arbeitgeber beantwortet, eigene
Stellengesuche aufgegeben oder ein Arbeitsvermittler wie das Arbeitsamt
eingeschaltet. Es sind ebenso die meisten, die damit wenig bis gar keinen
Erfolg haben, länger arbeitslos sind oder mit dem Job, den sie auf einem
dieser Wege schließlich bekommen haben, nicht wirklich glücklich werden.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma verspricht die in den USA erfolgreich
angewandte Methode des Life/Work Planning (LWP), die der Karriereberater
John Webb in seinen zweiwöchigen Seminaren an der Universität Münster
seit fünf Jahren vermittelt. Eine lohnende Investition in die eigene
Zukunft.
"Vergessen
sie Zeitungsanzeigen, schriftliche Lebensläufe, Zeugnisse und
Bewerbungsschreiben!" fordert der seit langem in Münster lebende
Amerikaner John Webb die Teilnehmer seines Seminars auf und erntet damit
erst einmal Verwirrung und skeptische Blicke. "So haben wir es doch
gelernt!", "Alle machen es so!", "Wie soll man es denn sonst
machen?" scheinen diese Blicke zu fragen.
Wie
viele andere Arbeitssuchende auch, haben die Teilnehmer oft schon
stundenlang beim Arbeitsamt gesessen, zig Bewerbungen abgeschickt und
mehrere Dutzend Absagen hinter sich. Wenn sie überhaupt eine kriegen,
denn viele Unternehmen "verschwenden" inzwischen schon nicht einmal
mehr das Porto für eine Ablehnung, geschweige denn für die Rücksendung
der Unterlagen. Längst ist der Bewerber in diesem uneffektiven System zum
lästigen Bittsteller degradiert worden.
Dass
nur wenige mit der klassischen Bewerbung auf Anhieb erfolgreich sind,
wundert nicht, wenn man der Statistik glauben darf, nach der, so Webb,
"von vier freien Stellen tatsächlich nämlich nur eine einzige öffentlich
ausgeschrieben wird." Am liebsten stellten Arbeitgeber nämlich Leute
ein, die sie kennen oder die ihnen empfohlen werden. Hinzu komme außerdem,
dass die Personalabteilung eines Unternehmens in Wahrheit meistens der
ungeeignetste Adressat für die Bewerbung sei, weil hier eben in der Regel
nicht die wirklichen Entscheidungsträger säßen.
Das
größte und am ehesten verkannte Problem ist jedoch, dass eigentlich die
wenigsten Jobsuchenden genau wissen, was sie wollen. Aber nur wenn man
sich darüber im klaren ist und seine Vorstellung auch formulieren kann,
hat man eine reelle Chance, es auch zu bekommen. Deshalb beginnt das auf
drei Stufen aufgebaute LWP mit der Suche nach dem "Was".
"Was
kann ich, was interessiert mich am meisten, welche Fähigkeiten habe ich
überhaupt?" sind die Fragen, die jeder Teilnehmer des ganztägigen
Kurses als erstes für sich beantworten muss und zwar bis ins kleinste
Detail. Dabei zwingen Gespräche mit Gruppenmitgliedern und deren
Fragenden Suchenden, sich präzise auszudrücken und selbst zu
hinterfragen. Auf diese Weise fördern sie manchmal Erkenntnisse zu Tage,
die eigentlich völlig naheliegend sind, auf die man selbst jedoch nie
gekommen wäre. In der zweiten Stufe befassen die Teilnehmer sich damit,
"wo" sie arbeiten möchten, also in welcher Branche, bei welchem
Arbeitgeber, mit welchen Kollegen und unter welchen Rahmenbedingungen. Wer
zum Beispiel gerne telefoniert und sich vorstellen könnte, in einem
bestimmten Call-Center zu arbeiten, sollte sich deshalb auch fragen, ob er
seinen Tag in einem Großraumbüro verbringen will.
Schließlich
stellt sich die Frage, "wie" man potentielle Arbeitgeber auf sich
aufmerksam macht und sich ihnen gegenüber am besten verkaufen kann. In
dieser Phase lernen die Teilnehmer, wie man Kontakte und Netzwerke knüpft,
um Informationen über den gewählten Bereich zu erlangen. An einem
"Ausgehtag" befragen sie systematisch sechs Personen, die ihnen über
den Bereich Auskunft geben können, in dem sie tätig sein wollen, und
zwar ohne vorher einen Termin mit ihnen vereinbart zu haben. Dieser Teil
des Seminars, vor dem sich die meisten am liebsten drücken würden, zeigt
ihnen, ob ihre Vorstellungen mit der Realität des Berufs übereinstimmen.
Es soll noch kein Bewerbungsgespräch sein, sondern dient ausschließlich
der Informationsbeschaffung. Wer nämlich weiß, was gefragt ist und zudem
die eigenen Stärken kennt, kann sich in seinem späteren Bewerbungsgespräch
besser verkaufen. Er wird vom Bittsteller zum informierten Anbieter, er
reagiert nicht mehr bloß, er agiert.
Das
Erstaunliche an der Sache: Obwohl jeder denkt, dass er ohne Termin sofort
achtkantig wieder rausgeschmissen wird, weil man so was eigentlich nicht
machen kann, und der Angesprochene garantiert sowieso keine Zeit hat, sind
rund 82% der gesuchten Interviewpartner gerne bereit, das Gespräch zu führen
oder sie nennen andere Ansprechpartner. So entsteht dann ein Netzwerk, in
dem man Tips bekommt, von freien Jobs erfährt oder empfohlen wird. In den
meisten Fällen sind es letztlich diese Kontakte, die zu einem derjenigen
Jobs verhelfen, die nie ausgeschrieben werden.
Die
in den 60er Jahren von dem Arbeitswissenschaftler Richard Nelson Bolles
entwickelte Methode ist in den U.S.A. längst üblich, und zwar von
Kindesbeinen an. Anders als in deutschen Schulen wird die Frage nach den
eigenen Begabungen und Zielen zur Stärkung des Selbstbewusstseins schon
in der vierten Klasse gestellt. Seit bald 30 Jahren gehören Seminare wie
das von John Webb, der übrigens direkt bei Bolles gelernt hat, dort zum
Standardangebot an Hochschulen. Viele Unternehmen bieten von sich aus
informelle Gespräche an. So weiß jeder, was er vom andern zu erwarten
hat und beide Seiten ersparen sich unnötige Kosten und Mühen.
Und
das Beste daran ist, dass die Methode des LWP sich für jeden
Arbeitssuchenden eignet, egal aus welcher Branche, wie alt oder jung, ob
"alter Hase" oder Berufsanfänger, egal ob Akademiker oder nicht. Die
einzige Voraussetzung, die jeder Kursteilnehmer mitbringen muss, ist der
Wille, sich ernsthaft für sich selbst zu engagieren. Denn ganz bestimmt
wird niemand vorbeikommen und sagen: "Darf ich Ihnen ihren Traumjob
anbieten?"
ENDE
Bettina
Spogis
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