Bei
ihrem Professor stieß Helen Wobst mit ihren Zukunftsplänen auf blankes
Entsetzen. Kein Wunder, schließlich stand die Studentin kurz vor dem
Abschluss im Fach Englische Literaturwissenschaft, und statt eine
Doktorarbeit, Lehr- oder Übersetzertätigkeit anzuschließen, strebte sie
plötzlich einen Job im Bereich Internet und Solarenergie an. Eine
exotische Mischung, die zudem nichts mit ihrer Ausbildung zu tun hatte.
"Das haben Sie doch gar nicht studiert", warnte der Professor.
"Egal, das interessiert mich am meisten", entgegnete die Studentin-
und bekannte sich damit zu einer ungewöhnlichen in den USA aber sehr
erfolgreichen Bewerbungsmethode des Arbeitswissenschaftlers Richard Bolles.
Bewerbungstrainer
John Carl Webb, der Bolles Ideen am 2. Dezember im
Berufsinformationszentrum (BIZ) des Arbeitsamtes vorstellt, hatte sie überzeugt:
Trotz hoher Arbeitslosigkeit könne jeder einen guten Job finden, meint
Webb. Voraussetzung sei, dass er wisse, was er wolle, was er kann- zudem
seien neben dem im Studium erworbenen Wissen das Talent, gut zu erklären
und zu organisieren, und Hobbys wie der Computer oder Umwelt-Engagement
wichtig. Denn danach fehlt es nach Ansicht Webbs gewaltig: "Die meisten
Deutschen glauben, wenn sie ein ordentliches Studium machen und sich dann
genauso ordentlich auf Stellen in ihrer Branche bewerben, haben sie alles
in Sachen Jobsuche getan."
Dass
es im wirklichen Leben anders zugeht, zeigt eine repräsentative Studie
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Zwei
von drei Stellen waren demnach 1998 nicht öffentlich ausgeschrieben.
Viele Betriebe fanden ihre Mitarbeiter, indem sie ungefragt eingesandte
Bewerbungen oder Tipps von Mitarbeitern auswerteten.
An
diesem Punkt setzt Webb an. Mit seinen Kursteilnehmern entwickelt er ein
persönliches Jobprofil, wobei das Studium nur ein Mosaikstein in einer
Palette von Fähigkeiten und Interessen ist. Dann lehrt er sie, ihr künftiges
Berufsfeld zu erforschen. Welche Jobs werden gesucht, welche Vorkenntnisse
braucht man, welche Marktlücken gibt es für Newcomer? Solche Fragen müssen
die Studenten für ihr Jobprofil klären. Entsprechende Informationen
sollen sie sich von Spezialisten holen. Wenn sie einen Überblick über
die Branche haben, folgen im zweiten Schritt Bewerbungen auf
Eigeninitiative.
Die
Angst vieler Studenten, dass in der hektischen Arbeitswelt niemand die
Zeit aufbringt, einen Unbekannten in seine Berufsgeheimnisse einzuweihen,
hält Webb für unbegründet. Ersetzt auf ein Schneeball-System der
Kontakte. "Jeder hat in seiner Familie, unter Freunden oder Mitstudenten
jemanden, der wieder jemanden kennt, der etwas zu sagen hat", betont er.
Die Praxis zeige, dass die meisten Arbeitnehmer ihre Erfahrungen gerne
weitergäben. Auf diesem Weg fand auch Helen Wobst ihren Job bei einer
Internetagentur, heute gestaltet sie die Web-Seite einer Umweltfirma. Und
ein Doktor der Politologie folgte seinem Hobby: Er ist zum zufriedenen
Weinhändler geworden.
Webb,
gebürtig aus Chicago, ist selbst ein Paradebeispiel seiner
Philosophie.Der 47-jährige lehrt an der Uni Münster. Die Arbeit an einer
deutschen Hochschule war sein Traum. Er erreichte ihn- und erfüllt ihn
heute noch mit Stolz- "ohne dafür promoviert zu haben."
Jutta
Rinas
Das
Hochschulteam des Arbeitsamtes veranstaltet am 2. Dezember von 19 Uhr an
im BIZ, Escherstraße 17, einen Infoabend mit John Carl Webb. |