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Home [Der
amerikanische Traum]
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Eigeninitiative bei der Stellensuche öffnet manche verschlossene Tür Nie hätte Friedemann Becker es für möglich gehalten, seine beiden Interessengebiete Musik und Computer zusammenzubringen. Der gelernte Physiker hatte jahrelang versucht, eine Arbeit zu finden, die ihm Spaß macht - als Übersetzer, Anbieter von Messebausystemen und zuletzt als Fahrer bei der Post. "Aber immer hatte ich das Gefühl, ich tue eigentlich nicht das, was mich wirklich begeistert", sagt der 37-Jährige. Heute ist Becker in einem Berliner Musiksoftware-Unternehmen angestellt und entwickelt am PC eigene Musikinstrumente. "Ich bin am richtigen Ort mit den richtigen Leuten und kann meine besten Fähigkeiten einbringen - was will ich mehr?" Dass Becker seinen Traumjob gefunden hat, verdankt er einem Kurs an der Bremer Uni. Dort veranstaltet der Amerikaner John Webb regelmäßig Berufsfindungs- und Umsteiger-Seminare nach dem "Ansatz der kreativen Jobsuche" seines Landsmanns Richard Nelson, genannt Dick Bolles. Der Arbeitswissenschaftler und Karriereexperte entwickelte bereits vor 30 Jahren mit seinem Life/Work-Planing ein Verfahren, mit dem jeder seinen Traumjob finden kann. Sein Buch "What Colour Is Your Parachute?", wurde zum weltweit meistverkauften Ratgeber für Jobsucher. Es gibt immer
freie Jobs.
Statt sich auf möglichst viele Stellen zu bewerben und sich von der
Entscheidung des Unternehmens abhängig zu machen, rät Bolles, die
Jobsuche aktiv zu betreiben und als Teil der Lebensplanung zu
betrachten. Nicht die Anpassung an den Arbeitsmarkt steht im
Vordergrund, sondern die intensive Auseinandersetzung Was zunächst etwas vollmundig klingt, ist bei genauerem Hinsehen verblüffend plausibel: Nur ein Drittel aller Stellen werden nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung öffentlich ausgeschrieben. Die übrigen 270.000, die jeden Monat in Deutschland besetzt werden, existieren auf dem so genannten verdeckten Stellenmarkt. Zugang zu diesen Stellen bekommt aber nur, wer weiß, was er sucht. "Die meisten Berufsein- oder -umsteiger können ihre Jobwünsche nur vage beschreiben", stellt John Webb immer wieder fest. "Viele wissen nicht, wo ihre Fähigkeiten liegen, und geben sich mit Kompromissen zufrieden." Die Folge: Arbeitsfrust statt Arbeitslust. 60% der Deutschen macht einer Umfrage der Unternehmensberatung Gemini Consulting zufolge ihre Arbeit keinen Spaß. 30% aller Angestellten haben sogar innerlich gekündigt, so eine Studie der Gesamthochschule Wuppertal. Infos, Kontakte, Netzwerk. Auch Claudia von Kapff war an diesem Punkt angelangt, als sie sich zur Teilnahme am Webb-Seminar entschloss. 2 Jahre schon war sie im Telefon-Marketing für eine Unternehmensberatung tätig. "Ich war unglücklich, diese Aufgabe entsprach einfach nicht meinen Fähigkeiten." Davor hatte sie "im Trial-and-Error-Verfahren" verschiedene berufliche Richtungen eingeschlagen: kaufmännische Lehre, Sozialpädagogikstudium und anschließend 2 Jahre Berufserfahrung, dann wieder Rückkehr in den kaufmännischen Bereich, weil ihr das "dicke Fell" für einen sozialen Beruf fehlte. Mit 37 Jahren wollte sie "die nächste Weiche sehr bewusst stellen". In dem zweieinhalbwöchigen Seminar lernte von Kapff mit Hilfe der Bolles-Methode, systematisch ihre Fähigkeiten zu analysieren, schrieb detailliert auf, was sie irgendwann in ihrem Leben besonders erfolgreich, aber auch besonders gerne gemacht hatte. "Vieles habe ich vorher nicht wertgeschätzt, zum Beispiel, dass ich Dinge gut ordnen, Informationen systematisch aufbereiten und gut kommunizieren kann", sagt die Wahl-Hamburgerin. "Ich dachte: 'Das kann doch jeder.'" Der nächste Schritt: Wo will ich diese Fähigkeiten einsetzen? In welcher Branche, in welcher Umgebung? "Diesen Aspekt hatte ich vorher nie richtig beachtet", sagt Claudia von Kapff. "Mir wurde jetzt erst klar, dass ich im Bereich Erwachsenenbildung und auf jeden Fall in einem professionell arbeitenden Unternehmen angestellt sein wollte." Der eigentliche Härtetest aber ist der 3. Schritt. Nachdem die Seminarteilnehmer wissen, wofür sie sich interessieren, suchen sie am so genannten Ausgehtag mindestens 6 Personen auf, die genau das machen. Unangemeldet. Zentrale Fragen sind: Wie sind Sie zu Ihrem Job gekommen? Wer würde mir noch Auskunft geben? Ziel dieser kurzen, informellen Gespräche ist: recherchieren lernen, Informationen sammeln, Kontakte knüpfen. Werkzeuge für die spätere Jobsuche. Wie fast alle Teilnehmer hatte auch Claudia von Kapff "ziemlich viel Bammel" davor, einfach wildfremde Leute anzusprechen. Aber zu ihrer Überraschung reagierten alle positiv: "Die meisten sprechen gerne über ihren Job. Das war eine gute Erfahrung." Für John Webb ist dieses "Überprüfen der Vorstellung an der Wirklichkeit" das Wichtigste: "Gerade in Deutschland wachsen die meisten Menschen mit Annahmen über bestimmte Berufsbilder auf", sagt der Trainer. "Wenn man diesen zumeist ungenauen Vorstellungen glaubt, sind viele Türen verschlossen." So habe sich eine junge Frau davon abhalten lassen, Visagistin zu werden, weil die formale Voraussetzung dafür der Besuch einer Fachschule war. Die aber wollten ihre Eltern nicht bezahlen. Erst im Rahmen des Seminars erfuhr sie in den informellen Gesprächen, dass von 12 Visagisten nur einer diese Schule besucht hatte. Alle anderen waren quer eingestiegen. "Wenn man das nach 10, 15 wenig erfüllenden Berufsjahren hört, löst das Schmerz, Wut und Trauer aus", sagt John Webb. Nicht immer führt
der Weg zum Traumjob steil nach oben: "Manchmal ist mehr Zufriedenheit im Beruf auch mit
einem Seiten- oder sogar Rückschritt verbunden", sagt die Münchner
Karriereberaterin, Personalexpertin und Psychologin Madeleine Leitner. Beckers wichtigste Erkenntnis: "Man muss sich erst mal zeigen. Von alleine passiert nichts." Heute weiß der Bremer, dass die ebenso simple wie nahe liegende Feststellung Bolles' stimmt: "Nicht alles, was man gut macht, macht man auch gerne. Aber was man gerne macht, macht man auch gut." Autorin: Ingrid Ostlender (ostlender@geldidee.de)
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