von:
Richard
Nelson Bolles
Eine programmatische Rede auf der
Internationalen Tagung für Berufsberatung:
"Berufsberatung: Welchen Weg jetzt?" in Bled, Slowenien, Mittwoch, 5.
Mai 1999
Mit freundlicher Genehmigung des Autors aus dem Amerikanischen von Rainer
Thiel
(in:
dvb-forum, Zeitschrift des Deutschen Verbandes für Berufsberatung
e.V., ISSN 0935 -8323, 01/2000, S. 6 - 14)
Ich
bin gebeten worden, heute nachmittag über Lebens-/Arbeits-Planung zu
sprechen. Ich möchte ganz einfach anfangen.
Lebens-/Arbeits-Planung als Alltagstätigkeit
Fast alle betreiben schon Lebens-/Arbeits-Planung in
irgendeinem Bereich ihres
Lebens - ohne dabei diesen Begriff zu verwenden. Aber wenn du an einem
Sonntagmorgen aufstehst, nachdem du überlegt hast, was von acht
verschiedenen Möglichkeiten du heute tun könntest, und fünf davon in
deinem Kopf verworfen hast und dich dazu entschlossen hast, die drei
anderen Dinge zu tun - dann hast du bereits Lebens-/Arbeits-Planung
betrieben. Oder wenn du über deinen letzten Sommerurlaub nachgedacht hast
und angefangen hast, dir drei verschiedene Möglichkeiten, wie du deinen
Urlaub verbringen könntest, auszudenken, bevor du am Ende entschieden
hast, welche von diesen drei Möglichkeiten für dich
am interessantesten oder gar am faszinierendsten wäre - dann
hast du bereits Lebens-/Arbeits-Planung gemacht. Oder wenn dich das Gefühl
überkommt, dass du dein Leben zu stark der Arbeit gewidmet hast und du
ausgeknobelt hast, wie du
mehr Zeit für deine Familie und für Freizeit gewinnen könntest - dann
hast du schon Lebens-/Arbeits-Planung betrieben.
Mit anderen Worten, der Titel ist für einige von
Ihnen vielleicht neu, aber die Tätigkeit ist etwas, was fast alle unter
uns, selbst die hingebungsvollsten Träumer unter uns, schon einmal ausgeübt
haben.
Die Methode "Lebens-/Arbeits-Planung" ist also
nur ein Weg, etwas systematischer, durchdachter und gründlicher zu tun,
als man es auch schon bislang gelegentlich intuitiv und ohne anstrengendes
Nachdenken getan hat.
Das heißt, die Entscheidung, Lebens-/Arbeits-Planung
systematisch als Programm zu betreiben, ist vergleichbar mit der
Entscheidung, Gehen als sportliche Disziplin zu betreiben. In diesem Fall
würdest du nicht etwas völlig Neues zu tun beginnen. Du kannst schon
gehen. Aber Gehen als sportliche Disziplin zu wählen heißt, nicht mehr
nur einen Spaziergang rund ums Haus oder kurze Gänge zum einem Geschäft
zu machen, sondern sich zu entscheiden, über einen längeren Zeitraum und
nach einem bestimmten Trainingsplan in einem strammeren Schritt zu gehen.
Jedenfalls entwickelst du einfach etwas weiter, was du eigentlich schon
kannst.
Lebens und Arbeitsplanung als ein Programm bedeutet
genau diese Art der Veränderung: Du entscheidest dich lediglich, das, was
du schon kannst, auf eine diszipliniertere Weise, regelmäßiger und über
einen längeren Zeitraum zu tun.
Lebens-/Arbeits-Planung
als Programm
Die Geschichte von Lebens-/Arbeits-Planung als
Programm ist folgende: Vor etwa dreißig Jahren wurde sie in den
Vereinigten Staaten erfunden. Von dort hat sie sich schließlich in andere
Länder verbreitet, zunächst bekanntlich in die Schweiz, nach Frankreich,
Neuseeland, Australien, England und Deutschland.
Mit dieser Geschichte sind natürlich Namen
verbunden: In den USA sind es Kirn und Shepherd. Das erste Lehrbuch über
dieses Thema, das immer noch weitverbreitet ist, wurde schon 1978 von mir
selbst verfasst. In der Schweiz und in Frankreich ist der führende Lehrer
für Lebens-/Arbeits-Planung mein lieber Kollege Daniel Porot. In
Neuseeland ist es Felicity McClennan, in Australien Paul Stevens, in
England Walt Hopkins, und in Deutschland John Webb und Madeleine Leitner.
So können wir Lebens-/Arbeits-Planung als historische Bewegung ansehen,
die sich, wie es solche Bewegungen zu tun pflegen, von Land zu Land unter
Menschen, die Berufs- und Karriereberatung betreiben, ausbreitet.
Aber selbst, wenn ein Land vom Rest der Welt
abgeschnitten wäre, glaube ich, dass es irgendwann
Lebens-/Arbeits-Planung von selbst entdecken würde.
Denken wir uns Berufs- und Karriereberatung als einen
Baum. Wenn wir uns den Querschnitt des Stammes ansehen und dieser groß
genug ist, sehen wir natürlich eine Reihe von konzentrischen Ringen.
Unser Fachgebiet hat seine eigenen konzentrischen Ringe, die erscheinen,
wenn das Berufsfeld über die Jahre hinweg wächst.
Der innerste Ring, der älteste, der Ort, an dem
Systeme für Arbeitsuche normalerweise beginnen, ist der mit dem
einfachsten Ziel: "Arbeit für Menschen zu finden". Aber nach einiger
Zeit entwickelt sich unser Fachgebiet dahin, den nächsten Ring nach außen
einzuschließen, der bedeutet, "Menschen zu helfen, ihre zukünftige
Berufslaufbahn zu planen". Und - das ist mein Anliegen - wenn man
genug Zeit hat, werden Systeme für Berufs- und Karriereberatung
unweigerlich dahin wachsen, dass sie den äußersten Ring einbeziehen, nämlich
"Menschen bei ihrer Lebens- und Arbeitsplanung zu helfen".
Also selbst wenn, wie ich eben sagte, die
Institutionen für Berufs- und Karriereberatung eines Landes vom Rest der
Welt abgeschnitten wären, glaube ich, dass sie irgendwann
Lebens-/Arbeits-Planung entdecken würden. Ihre eigenen Klient/innen würden
sie dazu drängen. Nehmen wir ihre eigene Geschichte. Sie - oder soll
ich besser sagen "wir" - fangen damit an, dass sie schon früh in
unserem Leben einen Job finden wollen, der ihnen Brot auf den Tisch,
Kleidung für den Körper, ein Dach über den Kopf verschafft und der
ihnen - womöglich - zu einer interessanten Gruppe von Kollegen
verhilft. Voilà! Um dieses zu erreichen, brauchen die Klient/inn/en
unsere Hilfe bei der Arbeitsuche (dem
innersten Ring des Berufs- und Karriereberatungsstammes).
Wenn die Zeit fortschreitet, müssen sie eine andere
Stelle suchen, und schließlich eine andere Berufslaufbahn. Voilà! Sie
brauchen unsere Hilfe beim Stellenwechsel
(dem nächsten Ring nach außen).
Oft lernen sie das, und sie lernen es gut; aber wenn
sie neue Laufbahnen einschlagen müssen, wenn sie älter werden, stellen
sie fest, dass sie mit der Planung früher anfangen müssen - die Straße
weiter hinunter schauen, nicht nur den Bereich des Scheinwerferkegels.
Voilà! Sie brauchen unsere Hilfe bei der Planung
ihrer weiteren Berufslaufbahn (der nächste Baumring nach außen).
Und dann lernen sie vielleicht, damit gut umzugehen;
aber in der Mitte des Lebens wird ihr Geist oftmals ruhelos, wie ein
eingesperrter Tiger, der im Käfig hin und herläuft. Ihre Arbeit ist
zufriedenstellend, aber... Lange vergessene Fragen aus ihrer Jugend kommen
zurück an die Oberfläche ihrer Gedanken, solche Fragen wie "Warum bin
ich hier auf der Erde? Was ist mein Auftrag, für den ich hier bin? Was
will ich in meinem Leben zustande bringen, bevor ich sterbe?" Ihr
Interesse gilt nicht länger nur der Arbeit, obgleich es um die Arbeit
kreisen kann. Aber es gibt jetzt größere Probleme; sie wollen auf ihr
ganzes Leben schauen - ihr Lernen, ihre Freizeit, ihre Beziehungen, und
sogar ihren Glauben. Voilà! Sie brauchen jetzt unsere Hilfe beim äußersten
Baumring: Lebens-/Arbeits-Planung.
Natürlich sind diese Stufen nicht an ein Alter
gebunden. In den letzten 25 Jahren habe ich jeden Sommer in den
Vereinigten Staaten einen Zwei-Wochen-Kurs zum Thema
Lebens-/Arbeits-Planung veranstaltet, der von Beratungsfachleuten aus der
ganzen Welt besucht wird, und unsere jüngsten Teilnehmer sind siebzehn
Jahre alt. Damit will ich sagen, dass ein Hunger nach
Lebens-/Arbeits-Planung schon in sehr jungen Menschen zu finden ist. Man
muss nicht damit warten, bis man ein bestimmtes Alter erreicht hat.
Aber mein eigentlicher Punkt ist folgender:
Lebens-/Arbeits-Planung entsteht nicht, weil sich irgendein Berufs- oder
Karriereberater bei seiner Arbeit langweilt und irgendetwas Neues erfinden
will - nur um irgendetwas Neues zu machen. Nein, Lebens-/Arbeits-Planung
entsteht, weil bei unseren Klienten die Bedürfnisse danach entstehen, und
sie brauchen umso mehr davon von uns, weil sie danach streben, ein
wirklich ganzheitliches und rundum gelungenes Leben aufzubauen.
Wachstum über ein ganzes Leben hinweg ist natürlich
nicht nur auf unsere Klienten beschränkt. Es betrifft uns selbst ganz
genauso. Wenigstens ist das zu hoffen. Unglücklicherweise hat Berufs- und
Karriereberatung - wie jede Berufsgruppe - ihre Gruppe von erfahrenen,
kenntnisreichen Beratungsfachleuten, die der Meinung sind, schon alles
gesehen und gehört zu haben, was man so in Erfahrung bringen kann. Sie
verbrauchen mehr Energie, als sie glauben, für den Schutz ihres Status'
als ,Experten'. Ihr Lebensmotto heißt "Es gibt nichts Neues unter
der Sonne." Sie haben es ,geschafft'. In gewisser Hinsicht sind sie
auch schon tot.
Aber wir, die wir zu Konferenzen fahren, wir gehören
anscheinend zu einer anderen Gattung. Viele von uns, eigentlich die
meisten von uns, sind offen für neue Ideen, nein: hungrig nach neuen
Ideen, wir suchen nach immer besseren Methoden, um anderen Menschen bei
der Suche nach neuen Berufswegen zu helfen. Wir erkennen uns instinktiv,
wenn wir uns treffen und spüren dieses gemeinsame Band, das uns
verbindet: das Streben nach Vervollkommnung. Wir wissen, wir haben das
Vertrauen der Menschen, und unser Lebensmotto heißt: "Gott, lass mich
das Vertrauen dieser Menschen rechtfertigen."
Nun, für diejenigen unter uns, die wachsen wollen,
ist Lebens-/Arbeits-Planung ein Thema, das wie für uns geschaffen ist.
Denn wenn wir danach streben, für uns eine gewisse Fülle des Lebens zu
finden, ein Leben, das aus einer Balance zwischen Arbeit, Lernen,
Freizeit, Beziehungen und Glauben besteht, dann betrifft
Lebens-/Arbeits-Planung nicht nur unsere Klienten, sondern auch unser
eigenes Leben.
Wenn wir wachsen wollen, dann glaube ich , dass wir,
jeder von uns, irgendwie, auf irgendeine Weise, früher oder später
herausfinden müssen, wie wir selbst Lebens-/Arbeits-Planung betreiben können
- und dann, wie wir Lebens-/Arbeits-Planung unseren Studenten, Klienten,
unserem Publikum durch Workshops anbieten können. Seminare über einige
Tage, ja sogar über zwei Wochen.
Natürlich werden andere Beratungsfachkräfte und
Trainer darauf hinweisen, dass das Programm Lebens-/Arbeits-Planung aus
den USA kommt und hier nicht funktionieren wird. Wie es John Webb in
Deutschland erfahren musste: "Mir wurde gesagt," erzählt er, "dies
passe hier nicht zur Kultur. ,Sie können das hier nicht machen und
erwarten, dass es funktioniert.' Und tatsächlich, als ich anfangs
Leuten hier erzählte, ,Stell dir vor, du könntest losgehen und mit
Leuten reden und durch diese Gespräche genug Informationen bekommen, um
einem Arbeitgeber ein Angebot für eine Stelle zu machen, die wirklich
deinen Fähigkeiten entspricht', da schauten mich viele Leute an, als ob
ich gerade gesagt hätte, ,Stell dir vor, du könntest losgehen, mit
deinen Armen flattern und fliegen.'"
Trotz alledem: Seit 1990, als er bei mir gelernt hat,
hat John in den vergangenen acht Jahren 134 erfolgreiche
Lebens-/Arbeits-Planungs-Seminare oder -kurse in Deutschland geleitet ,
von denen jedes normalerweise 2½ Wochen dauert, mit Beginn und Ende
jeweils am Dienstag. Die evangelische Kirche dort, eine öffentlich-rechtliche
Organisation, hat ihn gerade beauftragt, ab dem Jahr 2000 Menschen in
Lebens-/Arbeits-Planung auszubilden. Außerdem haben er und eine andere
Lebens- und Arbeits-Planerin in Deutschland, Madeleine Leitner, in
deutschen Zeitschriften Artikel über das Thema geschrieben, die positiv
aufgenommen wurden. Daher kann ich Ihnen versichern, dass Sie auch in
Ihrer eigenen kulturellen Umgebung diese Programme lehren können,
vorausgesetzt, Sie haben vorher Ihr eigenes Leben damit durchgearbeitet.
Ein Lebens-/Arbeits-Planungs-Programm zu entwerfen,
ist leicht. Konsultieren Sie einfach erfahrende Lebens- und Arbeits-Planer
wie John Webb in Deutschland oder Daniel Porot in der
Schweiz
oder Walt Hopkins in Großbritannien.
Sie können Ihnen zeigen, wie es geht, ohne dass Sie das Rad immer aufs
Neue erfinden müssen. Oder, falls Sie die Anleitung haben wollen, können
Sie diese im Internet bestellen.
Aber was ich Ihnen heute eigentlich deutlich machen möchte,
ist die Notwendigkeit - bevor Sie dazu kommen, das eigentliche Programm
zu entwerfen -, dass Sie zunächst einmal Grundprinzipien begreifen,
von denen alle Lebens-/Arbeits-Planung abhängt. Denn wenn Sie diese
Prinzipien nicht begreifen, wird Ihr Programm mit fast absoluter
Sicherheit fehlschlagen.
Darum lassen Sie mich diese Prinzipen kurz aufzählen
und erläutern. In der Berufs-
und Karriereberatung gibt es davon drei.
Lebens-/Arbeits-Planung als Prinzip
Erstes Prinzip von
Lebens-/Arbeits-Planung:
Das Vorgegebene ist der Klient.
Es gibt eine weitverbreitete Annahme, dass das
gesamte Berufsberatungssystem eines Landes eigentlich aus einem Mann oder
einer Frau besteht, der bzw. die mit zwei ausgestreckten Armen dasteht:
Mit der einen Hand hält sie
die Hand des Arbeitgebers, mit der anderen die Hand des Ratsuchenden -
Schüler oder Student, Arbeiter, Führungskraft mittleren Alters oder
jemand an der Grenze zur Pensionierung - und hilft beiden gleichermaßen
und ist gleichermaßen loyal, dem Arbeitgeber und dem Ratsuchenden gegenüber.
Nun, ich denke, das ist eine Selbsttäuschung,
und zwar eine, die über die Jahre großes Unheil angerichtet hat. Wenn
Sie mit Ihrem inneren Auge einmal in die Luft gehen und aus 10.000 Metern
Höhe auf die ganzen kunstvollen Arbeitsverwaltungssysteme hinabschauen,
die die Länder rund um die Welt aufgebaut haben, dann wird Ihnen eines
mehr als alles andere ins Auge fallen: die Tatsache, dass fast jeder Teil
jedes Systems - egal ob öffentlich, privat oder akademisch - loyaler
dem Arbeitgeber gegenüber ist als dem Arbeitsuchenden.
Das
wird dann deutlich, wenn es eine Diskrepanz zwischen dem Wunsch des
Arbeitgebers und dem Wunsch eines Bewerbers gibt. Das
Arbeitsvermittlungssystem wird an dieser Stelle dazu tendieren, sich auf
den Arbeitgeber zu beziehen. Und zwar aus einem einleuchtenden Grund: "Wer die Musik zahlt, bestimmt, was gespielt
wird." Der Arbeitgeber hat in allen Ländern eine dauerhafte Beziehung
zum gesamten Arbeitsvermittlungsapparat, da er die Aussicht auf
wiederholte Kontakte und Geschäfte eröffnet. Hingegen wird der
Arbeitsuchende, wenn er erfolgreich vermittelt wurde, möglicherweise
etliche Jahre lang nicht wieder auftauchen.
In den USA wie in anderen Ländern können wir das
deutlich bei allen Arbeitsvermittlungsorganisationen erkennen: Nehmen wir
an, eine Agentur hat tatsächlich einen echten Auftrag für eine Stelle,
die den Vorstellungen eines Bewerbers genau entspricht. Oder wenigstens
fast genau... Wie sich herausstellt, gibt es da doch ein paar ziemlich
deutliche Diskrepanzen. Wer ist es, den die Agentur bitten wird, sich zu
ändern? Sie kennen die Antwort so gut wie ich. Außer in seltenen
Ausnahmen ist es der Bewerber/die Bewerberin, der oder die sich anzupassen
hat, Kompromisse machen muss, seine oder ihre Erwartungen
herunterschrauben muss, realistischer werden muss über das, ,was gerade
auf dem Markt zu bekommen ist', sich finden muss in das, was der
Arbeitgeber anbietet.
Wenn es also eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen
des Arbeitgebers und denen des Arbeitsuchenden gibt, und irgendetwas
zurechtgerückt, angepasst, zusammengedrückt oder in eine ein bisschen
andere Form gepresst werden muss, dann ist es der Arbeitsuchende - und
nicht der Arbeitgeber -, dem diese Ehre zuteil wird. Das heißt, wenn man
es recht bedenkt, die Agentur ist am Ende - im Widerspruch zu ihren
besten Absichten - eher die Anwältin des Arbeitgebers als die Anwältin
des Arbeitsuchenden.
Mit anderen Worten, beim Versuch, Arbeitsuchende und
Arbeitgeber zusammenzubringen, wird der Arbeitsplatz (bzw. wenigstens die
Vorstellung, die der Arbeitgeber davon hat) als das Vorgegebene
hingenommen; und alles andere - Berater und Arbeitsuchender selbst
eingeschlossen - muss sich mit diesen Gegebenheiten abfinden. Und
das trotz der wohlbekannten Tatsache, dass in jeder halbwegs größeren
Firma die Arbeitgeber oft eine höchst unrealistische Vorstellung davon
haben, was für Qualifikationen auf gerade der Stelle, für die sie
Einstellungen vornehmen, gebraucht werden, und was einen Arbeitsuchenden für
diese Stelle qualifiziert.
Könnten wir uns nun ein Programm vorstellen, das mit
diesem Problem anders umgeht? Ein Programm, in dem der Rat- und
Arbeitsuchende und seine bzw. ihre Wünsche und Vorstellungen als das
Vorgegebene genommen werden, das nicht verfälscht, eingewickelt, verdreht
oder verstümmelt werden darf? Natürlich können wir das - es ist immer
dann der Fall, wenn Lebens-/Arbeits-Planung als Programm zugrunde liegt. Für
Lebens-/Arbeits-Planung ist eine fundamentale Voraussetzung, dass der
Klient, der Arbeitsuchende, als das Vorgegebene genommen wird.
Lebens-/Arbeits-Planung beginnt bei der Frage: "Was
möchtest du?" "Was sind deine Lieblingsfähigkeiten?" "Was sind
deine Lieblingswissensgebiete?" "Was möchtest du am liebsten
lernen?" "Wie möchtest du am liebsten deine Freizeit verbringen?"
"Was ist dir am wichtigsten in deinen Beziehungen wie Ehe oder
Freundschaften?" Und dann bringt Lebens-/Arbeits-Planung dem Klienten
bei, wie er eine Welt - einen Arbeitgeber, eine Arbeitsstelle und ein
Leben - findet, das zu diesen Vorgaben passt.
Zweites Prinzip von Lebens-/Arbeits-Planung:
Dein Ziel muss vor allem sein, deine Klient/inn/en dahin zu bringen, dass
sie ohne dich zurecht kommen, und ihm oder ihr nicht nur
"Dienstleistungen" anzubieten,
für die sie irgendwann wiederkommen müssen.
Wenigstens eines kann man mit Überzeugung von
praktisch jedem Berufs- und Karriereberatungsdienst sagen: Er ist nützlich.
Und er hat viel Arbeit damit, nützlich zu sein.
Aber wir müssen ein wenig tiefer einsteigen. Wie
sich herausstellt, gibt es prinzipiell zwei Arten, nützlich zu sein. Die
eine ist, Dienstleistungen
anzubieten. Und in der Tat sind Dienstleistungen in einigen öffentlichen
Beratungs- und Vermittlungsbüros das einzige, wofür wir die Zeit und das
Geld haben. Ende. Sie möchten vielleicht mehr anbieten, aber es gibt
nicht genug Zeit (oder Geld), um mehr zu tun.
Immerhin ist es ein großes Verdienst,
Dienstleistungen anzubieten. Das Verdienst dabei ist, dass Sie Ihre
Klienten, sofern Sie erfolgreich sind, aus Krisensituationen
herausbringen, und dafür sind sie Ihnen ganz schrecklich dankbar.
Aber das Problem dabei ist, dass eine solche Krise,
aus der Sie dem Klienten gerade herausgeholfen haben, mit großer
Sicherheit irgendwann in seinem Leben erneut auftauchen wird. Je jünger
der Klient, desto sicherer ist es, dass eine Krise kommt. Eigentlich
sollten wir an die Tür von allen unseren Maßnahmen schreiben, "Das
wird noch einmal passieren", einfach um uns selbst daran zu erinnern,
dass Arbeitslosigkeit, Berufswahl, Berufswechsel immer und immer wieder im
Leben eines Klienten auftauchen. Und möglicherweise sind wir nur dieses
eine Mal ,da'.
Denn wenn diese oder eine ähnliche Krise das nächste
Mal im Leben dieses früheren Klienten von Ihnen auftaucht, dann werden
sie kommen müssen und nach Ihnen fahnden, wie Diogenes mit einer Laterne,
und Sie bitten, sie wieder ,rauszuholen'. Weil das einzige, was Sie
Ihren Klienten mit Ihren Dienstleistungen wirklich beigebracht haben, war,
dass sie für die Lösung einer Krise eines benötigen: Sie. Sehr nett für
Ihr Ego. Aber entsetzlich, falls Sie oder Ihr Klient weggezogen sind, und
Sie nicht länger in der Nähe oder gerade in der Lage sind, ihnen das nächste
Mal herauszuhelfen. Und die Hilfe, die zur Verfügung steht, ist
ineffektiv oder es gibt keine.
Die Klienten sind auf sich allein gestellt. Und völlig
ratlos, was zu tun wäre. Und da sie keine Ahnung haben, wie Sie getan
haben, was Sie als Berater getan haben, als Sie ihnen geholfen haben, könnte
die von Ihnen erbrachte Dienstleistung in den Augen des Klienten genauso
gut ein Zaubertrick gewesen sein.
Daher ist es gut, dass es einen zweiten Weg gibt,
,nützlich zu sein', den wir anstreben können. Und dieser Weg ist, die Klienten für die Zukunft zu befähigen oder zu schulen, indem
man das gegenwärtige Problem (Berufswahl, Berufswechsel,
Arbeitslosigkeit) nutzt, dem Klienten beizubringen, wie er mit einer
solchen Situation umgehen kann, wann immer im Leben sie wieder auftauchen
sollte, und dabei ausnutzt, dass die Klienten in der gegenwärtigen Krise
sehr offen und lernwillig sind.
Das heißt, wir müssen wirklich alles erklären. Wir
dürfen keine Maßnahmen anwenden, die der Klient nicht vollkommen
verstanden hat; wir dürfen ihm keine Zusammenfassung von Ergebnissen präsentieren,
ohne zu erklären, wie diese Ergebnisse zustande gekommen sind; wir dürfen
keine Empfehlungen abgeben ohne dem Klienten sorgfältig zu erläutern,
wie wir auf diese Empfehlungen gekommen sind; wir dürfen ihnen keine
Strategien für die Arbeitsuche vorschlagen, ohne die Vorteile und Grenzen
jeder Strategie aufzuzeigen; und unser Ziel darf nicht sein, dass wir dem
Klienten eine Arbeitsstelle vermitteln, sondern dass wir ihm oder ihr
helfen, für sich selber eine Stelle zu finden. Mit anderen Worten, wir müssen
dafür sorgen, dass dem Klienten jeder einzelne Schritt auf dem Weg sorgfältig
erklärt wird, bis sie wissen, wie man dies alles macht, so dass sie es später
auch allein können.
Ich habe früher darauf hingewiesen, dass man diesen
zweiten Weg, nützlich zu sein, in den USA und anderen Ländern manchmal
"Empowerment" (Befähigung)
nennt, weil wir keinen besseren Begriff kennen, um einen Prozess zu
beschreiben, in dem sowohl das Ziel als auch das Ergebnis darin bestehen,
die Klienten stärker zu machen und sie zu befähigen, mehr Einfluss auf
ihr Leben zu nehmen. Die Welt ist immer erstaunt, wenn sie auf Leute
trifft, die wissen, wohin sie in ihrem Leben wollen: so selten ist solche
Stärke.
Drittes Prinzip von Lebens-/Arbeits-Planung:
Deine Klienten haben mehr Einfluss auf ihr Leben, als sie selbst denken.
Wenn Sie anfangen, Lebens-/Arbeits-Planung zu lehren,
dann fordern Sie die Leute auf, daran zu glauben, dass sie ihr Leben ändern
können. Solange Ihr Klient das
nicht glaubt, werden Sie ihn nie zu dem ersten Punkt bekommen, dass er die
Papier- und Bleistiftübungen macht, die für Lebens-/Arbeits-Planung
erforderlich sind.
Im Lichte dieser Erkenntnis muss ich berichten, dass
bedauerlicherweise viele unserer Klienten devot an das glauben, was ich
die "Opfermentalität" nenne. Diese Position oder Denkgewohnheit
behauptet: "Mein Leben ist vor allem gewaltigen Mächten da
draußen preisgegeben, auf die ich keinen Einfluss habe. Und daher ist
nicht wesentlich, was ich vom Leben haben möchte; sondern ich muss
lernen, mich mit dem, was ich kriegen kann, zufrieden zu geben, da ich völlig
machtlos bin, mein Leben anders zu gestalten, als es ist."
Was für Mächte das sind, von denen die Klienten
festgehalten werden, unterscheidet sich von Person zu Person. Die
Opfermentalität kann beruhen auf:
-
Der persönlichen Geschichte, Erziehung, genetischen Anlagen
oder Erbteil,
-
Der sozialen
Schicht, einem Mangel an (Aus)bildung oder einem niedrigen Intelligenzquotienten,
-
Mangel an Erfahrung, Mangel an Fähigkeiten, Mangel an
Ehrgeiz.
-
Eltern, die ihre Entwicklung behindert haben, Lehrern, die
wandelnde Katastrophen waren, oder einem kranken Familienangehörigen,
der Menschen die Aufmerksamkeit entzog, die sie während der prägenden
Jahre gebraucht hätten.
-
Dem Partner, Lebenspartner, Ehemann oder -frau, bester
Freund, der oder die demjenigen niemals genug Liebe gibt oder ihnen
und ihren Bedürfnissen nie genug Aufmerksamkeit schenkt.
-
Dem Chef, Vorgesetzten, Geschäftsführer oder Kollegen, die
denjenigen ständig piesacken.
-
Die Wirtschaft, die Regierung, der Staat, das System, das sie
behindert.
-
Die Reichen, die Armen, Steuern, schlechter Stellenmarkt, große
Organisationen oder andere soziale Bedingungen, die sie unterdrücken.
-
Ein bestimmter Feind, der sie verfolgt - ein früherer Chef,
ein zorniger Gläubiger, der Exfreund oder die Exfreundin, eine
Verschwörung, oder der Teufel.
Unabhängig
davon, was aus der Liste gewählt wird, wenn die Opfermentalität jemanden
einmal im Griff hat, befreit sie ihn von jeder Verantwortung dafür, wie
es einem geht, da derjenige ganz und gar dem Einfluss anderer Mächte
ausgeliefert ist. Und aus dieser Sicht macht Lebens-/Arbeits-Planung
keinen Sinn, da es absolut nichts gibt, was derjenige tun kann, um seine
Situation oder sein Leben zu ändern. Aus dieser Sicht ist derjenige dem
Untergang geweiht.
In einem bestimmten Sinn sind
wir sicherlich alle Opfer, wirklich abhängig von Mächten, die wir
nicht beeinflussen können. Krieg, Seuchen, Hungersnot, Erdbeben, Feuersbrünste
und Überflutungen kommen einem in den Sinn.
Und einige von uns, einige unserer Klienten ohnehin,
z. B. die Obdachlosen, die Armen, die Unterdrückten, Minderheiten und
Ausgestoßenen, scheinen solchen gewaltigen Mächten insbesondere
ausgeliefert zu sein: Vorurteilen, Diskriminierungen, Rassismus, Sexismus,
idiotischen Gesetzen, gedankenlosen Bürokraten, blinder Justiz, plötzlichen
Tragödien und ähnlichem. Umso schwieriger ist es für sie zu glauben,
dass sich irgendetwas in ihrem Leben jemals ändern könnte.
Sie sind Opfer. Und manchmal sind auch wir Opfer.
Aber trotzdem gibt es einen riesigen Unterschied zwischen einem Opfer, wie
wir alle es zu Zeiten sind, und einer Opfermentalität. Wenn ich ein Opfer
bin, heißt das, dass ich auf einigen Gebieten meines Lebens gegen mächtige
Widerstände ankämpfe, aber ich
werde immer noch mit ihnen kämpfen und versuchen, die Oberhand zu
bekommen. Hingegen haben Menschen, die im Griff der Opfermentalität
sind, im wesentlichen aufgegeben: Was
hat es noch für einen Zweck? Warum soll ich es überhaupt noch versuchen?
Ich bin depressiv. Ich habe keine Hoffnung mehr. Es geht um den
Unterschied zwischen einer Seele, die kämpft, und einer Seele, die
aufgegeben hat.
Ich möchte hier eine einfache Wahrheit verkünden,
weil sie das eigentliche Fundament von Lebens-/Arbeits-Planung ist, und
die heißt: Jedes Individuum hat mehr Einfluss auf sein Leben, als es zu
haben meint. Wir müssen nicht erst mit Lebens-/Arbeits-Planung arbeiten,
um das festzustellen. Wir können in praktisch jedem Lebensbereich Belege
dafür finden.
Ein Beispiel: Vor einigen Jahren wurde ich von einer
gemeinsamen Freundin auf eine Frau namens Maryann hingewiesen. Die
Freundin bat mich, ihr zu helfen, da es ansonsten jeder andere in ihrem
Leben mit ihr aufgegeben hatte. Obwohl noch keine Dreißig, war sie das
Opfer von Multipler Sklerose; sie konnte nur unter allergrößten
Schwierigkeiten gehen. Wie mir berichtet wurde, hatte sie ein Neurologe
untersucht und gesagt, dass er nichts für sie tun könne. Ein Psychiater
hatte sie ebenfalls untersucht und gesagt, dass es nichts gebe, was er tun
könnte. Und so kam Maryann zu mir. Sie kam in mein Büro, ihr Körper war
beim Gehen ganz steif. Ich fragte sie, wie es ihr gehe. Hoffnungslos, war
ihre Antwort. Alle hatten es aufgegeben, ihr zu helfen.
So stellte ich ihr eine einfache Frage: "Maryann,
weißt du, was Multiple Sklerose ist?" "Nein," sagte sie. "Gut,
ich weiß es auch nicht. Aber lass uns einmal annehmen, dass es etwas fast
ausschließlich Körperliches ist, verursacht durch einen Virus oder beschädigte
Nervenummantelungen oder etwas Ähnliches, etwas rein Körperliches,
worauf du keinen Einfluss hast. Und lass uns annehmen, dass dieser Teil,
der sich deinem Einfluss entzieht, 98 Prozent deiner Krankheit ausmacht.
Dann gibt es immer noch die anderen zwei Prozent, auf die du mit deinen
Gefühlen, deinen Gedanken Einfluss nehmen kannst, und darum gibt es
etwas, das du ändern kannst. Im Augenblick habe ich keine Möglichkeit,
dir bei den 98 Prozent zu helfen, auf die du keinen Einfluss hast. Aber
wir können zusammen an den zwei Prozent oder wieviel es auch sind, die du
beeinflussen kannst. Willst du darauf eingehen?" Und sie sagte "Ja".
Nach regelmäßigen Beratungen verlor sie einen großen
Teil ihrer Lähmung, die sie befallen hatte - wirklich so viel, dass sie
ein Mannequin in der eleganten 57th Street von New York City
wurde, und sie konnte im Prinzip wieder ein normales Leben führen. Nun,
ich erzähle diese Geschichte, weil sie etwas anschaulich macht, das für
Lebens-/Arbeits-Planung grundlegend ist: Es spielt keine Rolle, wieviel
wir unserer Meinung nach in unserem Leben nicht ändern können, es gibt
immer einen Bereich, auf den wir Einfluss haben und an dem wir arbeiten können
- seien es 2 Prozent, 5 Prozent, 50 Prozent oder mehr. Es ist immer
mehr, als wir annehmen.
Lassen Sie mich ein anderes Beispiel nennen, wiederum
nicht aus Lebens-/Arbeits-Planung genommen,
sondern aus dem alltäglichen Leben. Ein Mann namens Don war verheiratet,
aber durchlebte mit seiner Frau eine sehr schwere Zeit. Das heißt, er
dachte ernsthaft an Scheidung. Darum ging er zu einem Eheberater. "Sag
mal," fragte der Berater, "was ist das Problem?" Don antwortete:
"Um es möglichst einfach zu sagen, meine Frau hat einen explosiven
Charakter, und sie ist ständig am Klagen und Meckern. Neulich wollte sie
zum Beispiel abends zu einem Treffen in der Bibliothek gehen. Ich bot ihr
an, zu Hause zu bleiben, den Kindern Abendbrot zu machen, die Küche
aufzuräumen und die Kinder beizeiten ins Bett zu bringen. Aber als sie
nach dem Treffen nach Hause kam, glaubst du, dass sie sich bedankt hat?
Nein, sie guckte nur in die Küche und sah, dass da noch ein Topf stand,
den ich vergessen hatte abzuwaschen. Und alles, was sie sagte, war,
,Warum hast du den Topf nicht abgewaschen?' Kannst du dir das
vorstellen? Nach allem, was ich an diesem Abend getan hatte, damit sie zu
diesem Treffen in der Bücherei gehen konnte! Das nenne ich Dankbarkeit!
Sie ist eine Meckerziege."
Der Eheberater war voller Mitgefühl, was Don zu
ertragen hatte, und sagte ihm das. "Armer Kerl. Das muss sehr schwer
auszuhalten sein." Don nickte heftig. "Aber übrigens," fuhr der
Berater fort, "warum hast du den Topf eigentlich nicht abgewaschen? Lässt
du immer irgendetwas übrig, wenn du etwas für sie machst?" In den
darauf folgenden Tagen dachte Don lange und intensiv über diese Frage
nach und stellte fest, dass er tatsächlich jedes Mal, wenn seine Frau ihn
um etwas gebeten hatte, einen Teil der übernommenen Aufgabe wegließ. Er
hatte ihre explosive und undankbare Art nicht verursacht; aber er wusste
unbewusst, wie er sie auslösen konnte. Das gab ihm ein Gefühl der Macht
über sie. Er stellte fest, dass er im Umgang mit seiner Frau nicht so
machtlos war, wie er es sich eingeredet hatte.
Ich wiederhole, in den einfachsten Vorgängen des täglichen
Lebens - völlig unabhängig von Lebens-/Arbeits-Planung - können wir
feststellen, dass Menschen immer mehr Einfluss auf ihr Leben haben, als
sie zu haben meinen. Sie sind immer viel weniger Opfer als sie zunächst
annehmen. Unabhängig davon, wie viel man meint, in seinem Leben nicht ändern
zu können, es gibt immer einen Bereich, den man ändern kann.
Lebens-/Arbeits-Planung ist auf dieser Wahrheit begründet.
In Seminaren, Workshops und individueller Beratung sagt
Lebens-/Arbeits-Planung selbst zum hoffnungslosesten Fall: Nenne mir den
Bereich von dir, an dem wir arbeiten können und der sich ändern lässt,
und wir werden zusammen daran gehen, ihn zu ändern.
Nun wäre es schön, wenn die einzigen Leute, die wir
überzeugen müssten, unsere Klienten wären. Aber leider muss ich
feststellen, dass die Klienten unser kleinstes Problem sind. Unser größtes
Problem sind wir selbst. Wir müssen uns selbst überzeugen, dass sich
unsere Klienten ändern können. Keine leichte Aufgabe, möchte ich hinzufügen.
Denn wenn man mich fragte, was die größte Gefahr wäre, in die Berufs-
und Karriereberater kommen können, und welcher Faktor dem Erfolg bei
unserer Arbeit am meisten im Wege steht, dann würde ich ohne das
geringste Zögern antworten: Die
größte Gefahr in unserer Profession ist, unsere Klienten unbewusst zu
verachten. Und ich betone das Wort "unbewusst", denn wenn Sie wissen,
dass Sie Ihren Klienten gegenüber dieser Haltung verfallen sind, können
Sie wenigstens etwas daran ändern. Aber die größte Verachtung und die tödlichste
Verachtung ist die, derer wir uns in keiner Weise bewusst sind.
Im Laufe der Jahre bin ich (das muss ich leider
sagen) einer ganzen Anzahl von Leuten in unserer Profession begegnet, die
unwissentlich und unbewusst an diesen Punkt gekommen sind. Und der Himmel
weiß, dass sie jede Menge an Belegen bringen können, die ihre Überzeugung
stützen, dass ihre Klienten eigentlich Tölpel sind. Das Problem mit
diesen Belegen ist natürlich, dass sie durch die Blickweise des Beraters
verfälscht sind. Wie die beiden Autofahrer, die nebeneinander die Straße
auf parallelen Spuren entlang auf eine grüne Ampel zufahren. Der erste
Fahrer sagt sich, "Ich bin sicher, dass die Ampel auf Rot springt, bis
ich an die Kreuzung komme". Und während er das sagte, nahm er Gas weg
und begann, sachte auf die Bremse zu treten und sich auf das Anhalten
vorzubereiten. Und völlig klar, das Licht sprang auf Rot, gerade als er
dort ankam. Und der Fahrer sagte zu sich selbst, "Ich hatte recht!"
Der andere Fahrer, Seite an Seite mit dem anderen,
sah ebenfalls das grüne Licht. Aber er sagte sich, "Ich bin sicher, das
ich über die Kreuzung komme, bevor die Ampel auf Rot springt."
Gleichzeitig beschleunigte er sein Fahrzeug etwas und fuhr über die
Kreuzung lange, bevor die Ampel auf Rot schaltete. Und er sagte zu sich
selbst, "Ich hatte recht!"
Was wir glauben, verfälscht die Messwerte. Beim
Autofahren. Und bei der Beratungstätigkeit in Beruf und Karriere. Der
Berater, der glaubt, seine oder ihre Klienten seien völlig hoffnungslose
Fälle oder ,unfähig, mit ihrer Vergangenheit fertig zu werden', oder
,passiv und abhängig', der wird immer - weiß Gott wie viele -
eindrucksvolle Belege für diese Einschätzung ansammeln.
Also wie können wir uns selbst davon überzeugen,
dass unsere Klienten sich ändern können? Leicht: Dreißig Jahre
Erfahrung in der Vermittlung von Lebens-/Arbeits-Planung haben mich von
der Antwort überzeugt. Denn es gibt ein unveränderliches Gesetz, das der
menschlichen Natur zugeschrieben ist, das besagt: Der Weg, an deine
Klienten zu glauben, ist, an dich selbst zu glauben. Der Weg, deine
Klienten zu ändern, ist, dich selbst zu ändern. Wenn du daran gehst,
ihnen bei der Entscheidung zu helfen, welche Richtung sie in ihrem Leben
einschlagen sollen, dann entscheide zuerst du darüber, wohin du in deinem
Leben gehen willst. Setz dich hin und wende jeden Prozess, den du anderen
beibringen möchtest, auf dein eigenes Leben an, bevor du dir vornimmst,
ihn deinen armen Klienten zuzumuten.
Nun werden einige von Ihnen diese Wahrheit für
trivial halten und sich wundern, warum
ich mir die Arbeit mache, das alles hier zu berichten. Das liegt daran,
dass ich zumindest in den USA so viele Berufs- und Karriereberater gesehen
habe, die bei ihrer Arbeit effektiver werden möchten und die jeden Preis
dafür zahlen würden - ausgenommen den, sich zunächst mit ihrem
eigenen Leben zu befassen. Normalerweise verstehe ich das völlig, kenne
die Grenzen des menschlichen Charakters, aber manchmal, das muss ich
zugeben, wird es mir einfach zu viel. Ich bin dann frustriert, auf so viel
Widerstand zu stoßen, und wenn ich frustriert bin, dann kennt man mich,
dass ich in milden Sarkasmus verfalle: Zum Beispiel sage ich dann, dass
unsere Gesellschaft zwei wunderbare Möglichkeiten hervorgebracht hat,
Arbeitsuche zu vermeiden: Die eine ist, arbeitslos zu bleiben, die andere
ist, Berufsberater zu werden.
Unter uns hier muss das allerdings nicht so sein.
Wenn wir wirklich gute Berater wären, wenn wir Lebens-/Arbeits-Planung
lehren würden, dann muss dies unser Motto sein: Ich werde nicht
versuchen, anderen irgendetwas beizubringen, was ich nicht vorher selbst für
mich und mein eigenes Leben bewältigt habe."
So, zum Schluss: Das sind die Fragen, die jeder von
uns abwägen muss:
"Welche Erfahrungen, die ich in meinem Leben
bislang gemacht habe, haben mich am meisten in Fahrt gebracht, und was
davon habe ich meiner Meinung nach gut hinbekommen?"
"Welche meiner Fähigkeiten habe ich bei diesen
Erfahrungen am liebsten eingesetzt?"
"Wenn ich diese Fähigkeiten in eine Prioritätenliste
bringen müsste, welche Fähigkeiten nutze ich am liebsten? Und geht es
dabei um Daten, Menschen oder Gegenstände?"
"Was sind meine Interessengebiete, die ich am
liebsten erforsche - in Zeitschriften, Büchern, Seminaren, Workshops
und im Leben?"
"Wenn ich meinen jetzigen Job nicht mehr ausüben könnte,
aber zehn Millionen Dollars bekäme und nie wieder arbeiten müsste, mit welcher Tätigkeit würde ich meine gewonnene Zeit
zubringen?"
"Wenn ich mir verschiedene Arbeitsfelder ansehen müsste,
um mehr darüber zu lernen, welche würde ich bevorzugen?"
"Wie könnte ich es erreichen, mehr Freizeit zu
haben, mehr Zeit mit meinen mir lieben Menschen und Freunden, und zwar
jetzt, in der Gegenwart, ohne auf die Pensionierung zu warten?"
"Was will ich erreichen, bevor ich sterbe?"
Ein englischer Autor namens John Wilson beschrieb die
logische Grundlage von Lebens-/Arbeits-Planung besser als jeder andere -
gerade weil er damals nicht über Lebens-/Arbeits-Planung schrieb. In
einem Buch, das er vor dreißig Jahren schrieb, das nun lange vergriffen
ist, beschrieb er diese Grundlage wie folgt:
"Mein Leben ist ein verhältnismäßig volles Leben
gewesen; aber ich bedaure hauptsächlich, dass es nicht voll genug war.
Was ich bereue, sind nicht die Gelegenheiten, unter denen ich gelitten
habe oder bei denen ich mich lächerlich gemacht habe, oder bei denen ich
Entscheidungen gefällt habe, die mich in Schwierigkeiten brachten; ich
bereue viel mehr die Gelegenheiten, bei denen ich hätte ,Ja' zum
Leben sagen können und stattdessen ,nein' gesagt habe. Dasselbe gilt
für meine Beziehungen zu anderen Menschen. Mich reuen nicht so sehr die
Schäden, die ich anderen durch meine Handlungen zugefügt habe, sondern
die Schäden, die ich verursacht habe, indem ich etwas nicht tat. Die
verpassten Gelegenheiten, Menschen zu helfen, ihre Erfahrung zu vergrößern,
sie zu lieben, sind es, die mich beunruhigen - mehr die unterlassenen
als die zugelassenen Sünden. Am tragischsten im Leben wäre, auf dem
Sterbebett zu liegen und an all die Dinge zu denken, die man nicht getan
hat, die Erfahrungen, die man nicht gemacht hat, aber gern gemacht hätte.
Wenn ich also Menschen zu irgendetwas antreiben müsste, dann würde ich
sie in volleres Leben stoßen, sie dazu zu überreden, ,Ja'
zum Leben und nicht ,Nein' zu sagen. Zumindest auf dieser Erde
haben wir nur ein Leben; und wir sollten deshalb das Meiste daraus
machen."
Das ist es, worum es bei Lebens-/Arbeits-Planung
geht. Unseren Klienten dabei zu helfen, das Meiste aus ihrem Leben
herauszuholen, ihnen zu helfen, ,Ja'
zum Leben zu sagen, damit sie nicht auf ihrem Sterbebett liegen und beim
Sterben an all die Dinge denken, die sie nicht getan haben, die
Erfahrungen, die sie nicht gemacht haben, aber gern gemacht hätten.
Aber zuerst müssen wir lernen bzw. wieder lernen,
wie wir selbst ,Ja' zum Leben sagen können. Lebens-/Arbeits-Planung
ist nötig für uns, bevor es für unsere Klienten nötig ist.
So, auf dieser Reise wünsche ich Ihnen alles Gute.
Ich wünsche Ihnen Gottes Segen.
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